Hegel als Erzähler
17. Juni 2013
Modernes Leben könne nicht mehr erzählt werden – eine Diagnose, wie sie unter anderem Theodor W. Adorno stellte. Dieses Urteil greift jedoch laut Koschorke selbst auf eine narrative Konstruktion zurück: „Solche Befunde machen von einem sentimentalischen Erzählschema Gebrauch, mit dem die europäische Moderne sich selbst seit ihren Anfängen kulturkritisch kommentiert.“
Mit einer Theorie der Erzählung, die über ihren klassischen Geltungsbereich hinausreicht und auf Erzählungen jenseits der Literatur zielt, hat Albrecht Koschorke sich zuletzt auch im Rahmen des Exzellenzclusters „Kulturelle Grundlagen von Integration“ beschäftigt. Im vergangenen Jahr kam sein grundlegendes Werk zu dem Thema „Wahrheit und Erfindung. Grundzüge einer Allgemeinen Erzähltheorie“ heraus. In den Adorno-Vorlesungen spannt er nun einen Bogen zwischen Hegels Geschichtsphilosophie und den Selbsterzählungen der Moderne:
Welche Erzählstränge führt Hegel in seinem System zusammen? Was folgt erkenntnistheoretisch und erzählerisch aus einem Verständnis von Geschichte als System, das sich in sich selbst schließt? Wie gestaltet sich als Gegenbewegung die erneuerte Pluralisierung von Geschichten und Modernitäten bis in die Gegenwart hinein und was bedeutet dies für die aktuelle Forderung nach einer Europa-Erzählung?
Das Institut für Sozialforschung an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main veranstaltet zusammen mit dem Suhrkamp-Verlag einmal jährlich die renommierten Adorno-Vorlesungen. Ein international anerkannter Wissenschaftler wird eingeladen, an drei Abenden über ein Thema vorzutragen, das Theodor W. Adornos Wirken und Einfluss auf die Wissenschaft bis heute aufzeigt. Die in Buchform ausgearbeiteten Vorlesungen erscheinen anschließend im Suhrkamp-Verlag.